Das Verursachungsszenarium „Bodenkämpfe“ beschreibt Kampfmittelbelastungen, die durch Kampfhandlungen am Boden entstanden sind. Hierzu gehören u. a.
Da innerhalb Deutschlands im Ersten Weltkrieg keine Bodenkämpfe stattfanden, ist das Verursachungsszenarium „Bodenkämpfe“ auf den Zeitraum des Zweiten Weltkriegs beschränkt.
Kampfmittelbelastungen, die aus abgelagerter, vergrabener und anderweitig entsorgter Munition unabhängig von Kampfhandlungen entstanden sind, werden durch das Verursachungsszenarium „Munitionsvernichtung“ beschrieben.
Kampfhandlungen fanden im Ersten Weltkrieg in Deutschland nicht statt.
Mit dem Vormarsch der alliierten Truppen im Zweiten Weltkrieg auf Deutschland fanden ab Ende 1944 Bodenkämpfe im heutigen Deutschland statt. Sie umfassten, bis auf die nicht eingenommenen Bereiche in Nord- und Mitteldeutschland (z. B. größere Teile von Schleswig-Holstein und den Harz), das gesamte Gebiet Deutschlands.
Die Kampfgebiete waren räumlich und zeitlich nicht gleichmäßig über Deutschland verteilt. Die betroffenen Flächen und Kampfintensitäten beinhalten das gesamte Spektrum großer Gebiete mit schweren Kämpfen bis zu kleinen, nur örtlich ausgebildeten Kampfgebieten. Als Beispiele sind zu nennen:
Umkämpft waren meist strategisch oder militärtaktisch bedeutende Orte, insbesondere militärische Einrichtungen, Nachschubeinrichtungen, Brücken, Festungen und Städte sowie natürliche, für die Verteidigung besonders geeignete Geländeformen (Flußläufe, Täler etc.).
Informationen zu möglichen Kampfmittelbelastungen durch Bodenkämpfe können insbesondere aus folgenden Quellentypen gewonnen werden:
Lageberichte und primäre Beschreibungen von Kampfhandlungen finden sich in deutschen, vor allem aber in alliierten Archivalien. Sie umfassen Kriegstagebücher, Lageberichte und Lagekarten auf deutscher sowie sog. After Action Reports, Intelligence und Historical Reports einschließlich dazugehöriger Lagekarten auf alliierter Seite. Verwertbare Archivalien sind zumeist auf mittlerer hierarchischer Ebene (Division, Regiment) vorhanden. Höhere Hierarchien enthalten häufig allgemeine oder zusammenfassende Informationen. Untergeordnete Einheiten weisen häufig einen schlechteren Überlieferungsgrad auf. Für eine verlässliche Rekonstruktion sind jedoch alle Einheiten zu bestimmen und zu bearbeiten.
Kriegsbedingt sind die deutschen Bestände, die sich im Militärarchiv Freiburg befinden, sehr lückenhaft. Demgegenüber enthalten die westalliierten Archivalien teilweise sehr detaillierte Darstellungen und Angaben. Diese Unterlagen finden sich u. a. im The National Archive (TNA), London, und in den National Archives and Records Administration (NARA), Washington D. C. Russische Dokumente sind bislang nur auf übergeordneter Ebene verfügbar und somit zumeist mehr allgemeinen Charakters.
Luftbilder aus dem Zeitraum von ca. 1940 bis 1945, ggf. auch später, sind bei den im Kapitel A-2.1.3.3 aufgeführten Dienststellen vorhanden.
Zeitzeugen, die sich im relevanten Zeitraum im betreffenden Gebiet aufgehalten haben, z. B. Teilnehmer an Kampfhandlungen oder Personen, die nach den Kampfhandlungen auf Befehl der Alliierten z. B. an Aufräumarbeiten beteiligt waren, können häufig wesentliche und authentische Informationen geben.
Sekundärquellen und allgemeine Literatur enthalten oft wichtige Informationen. Diese sind allerdings genau zu prüfen, da häufig keine nachvollziehbaren Quellen angegeben werden.
Wesentlich für die verlässliche Rekonstruktion ist die genaue Bestimmung des Datums bzw. der Zeitspanne der Kampfhandlungen (Standortchronik).
Verwertbare Informationen über die konkreten Vorgänge und Auswirkungen von Kampfhandlungen können nur dann gewonnen werden, wenn die daran beteiligten Einheiten bekannt sind. Sie sind deshalb genau zu bestimmen. Notwendig ist die Rekonstruktion der zum jeweiligen Zeitpunkt vorhandenen Organisation und die Gliederung aller Truppenarten (z. B. Infanterie, Panzertruppe, Artillerie etc. auf Armee-, Corps-, Divisions- und nachgeordneten Ebenen). Zu beachten sind dabei auch zeitlich und räumlich begrenzt eingesetzte Truppen (z. B. Kampfgruppen, Task Forces).
Für die räumliche Eingrenzung von Kampfgebieten (z. B. von Stellungsbereichen, Treffergebieten) sind Luftbilder unverzichtbar. Es ist darauf zu achten, dass die Luftbilder möglichst zeitnah zu den Ereignissen aufgenommen wurden.
Aus den überlieferten Archivalien können nur selten exakt die notwendigen Informationen nach eingesetzter Art und Menge von Waffen, Munition und Material sowie Intensität der Kampfhandlungen und deren Folgen gewonnen werden. Für eine verlässliche Rekonstruktion derartiger Vorgänge sind besondere Anforderungen an den Auswerter zu stellen. Hierzu gehört detailliertes Wissen
Die Kampfmittelbelastung
kann hinsichtlich Qualität und Quantität sehr unterschiedlich ausgebildet sein.
Bereiche mit blindgegangener Munition zeigen eine flächenhafte, mehr oder weniger gleichförmige, in Bereichen von ehemaligen Stellungen allerdings häufig konzentrierte Kampfmittelbelastung. Die Tiefenlage der Kampfmittel ist sehr unterschiedlich ausgebildet und hängt im Wesentlichen von der Art der verschossenen Munition, den Schussbedingungen, der kleinräumigen Geländemorphologie und dem Versiegelungsgrad/-art ab. Gemäß den jeweils eingesetzten Waffen ist mit einem entsprechend weiten Spektrum zu rechnen.
Feuerstellungen und Stellungssysteme wurden nach bestimmten standardisierten Vorgaben gebaut. Richtlinien zur Größe, Tiefe und Ausrüstung der Stellung gab es für die meisten Stellungstypen. Die Lagerung und Sicherung von Munition wurde in Dienstvorschriften geregelt, so dass sich heute Rückschlüsse auf die Art und Menge sowie die Lagerbedingungen ableiten lassen.
Während den Kampfhandlungen wurden Stellungen getroffen und dabei die dort gelagerte und vorgehaltene Munition verschüttet oder teilweise auch zur Detonation gebracht. Munition und Waffen sind aber auch in den Stellungen beim (fluchtartigen) Verlassen mitsamt der Ausrüstung und Munition zurückgelassen worden.
Die Belastung in derartigen Stellungen ist eher punktuell und räumlich begrenzt ausgeprägt bzw. in Stellungssystemen auf die einzelnen Stellungen konzentriert. Die laterale und vertikale Verteilung der Kampfmittel können sehr unterschiedlich ausgebildet sein und kleinräumig stark variieren. Bei größeren Lagermengen ist mit umfangreichen Funden zu rechnen. Sie sind typ- und bauartbedingt auch in größerer Tiefe zu erwarten. Die zu erwartenden Kampfmittel umfassen das gesamte Spektrum der in solchen Stellungen und Kampfhandlungen eingesetzten Munition.
Minen waren zur Sicherung von kämpfenden Truppen sowie als Hindernis für feindliche Truppen und Fahrzeuge nach bestimmten Schemata oberflächennah verlegt. Diese wurden gekennzeichnet und dokumentiert (Dichte, Tiefe und Verlegschema), um nicht die eigene Truppe zu gefährden. Mit dem Vorstoß der alliierten Truppen zum Ende des Krieges wurden Minen immer mehr ohne festgelegte Ordnung, teilweise im Streueinsatz oder einzeln verlegt und die Dokumentation vernachlässigt. Entsprechend dem Einsatzzweck (Anti-Personen-Mine, Panzerabwehr- oder Sprengmine) ist die Sprengladung unterschiedlich groß. Das Spektrum an Minenarten, Formen und Funktionsweisen ist sehr vielfältig. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die bekannten Minenfelder auf Befehl der alliierten Truppen beseitigt. Hierzu liegen teilweise umfangreiche Dokumentationen in den in- und ausländischen Archiven vor. Es kann davon ausgegangen werden, daß Minen nur noch in Ausnahmefällen vorhanden sind.
Minen wurden auch nach dem Zweiten Weltkrieg an der innerdeutschen Grenze angelegt. Sie wurden nach der Wiedervereinigung vollständig geräumt.
Militärisch wichtige Infrastruktur (z. B. Brücken, Landefelder auf Fliegerhorsten) wurden beim Herannahen der alliierten Truppen mit Sprengladungen versehen. Die Sprengladungen waren von der Art der eingesetzten Sprengkörper und deren Anordnung so ausgelegt, dass das Bauwerk zerstört und für eine weitere Nutzung unbrauchbar werden würde. Bei den Sprengladungen kann es sich um reine Explosivstoffkörper oder zweckentfremdete Bomben, Granaten etc. handeln.
Kampfmittelbelastungen, die aus Bodenkämpfen resultieren, beinhalten ein weites Spektrum an möglichen Kampfmitteln. Hierzu gehören u. a. ehemals als Infanterie-, Panzer-, Artillerie- und Pioniermunition eingesetzte Kampfmittel. Die konkrete Ausprägung ist situativ bedingt und kann deshalb nicht allgemeingültig angegeben werden.
Wegen der sehr unterschiedlichen Ausprägung sowohl hinsichtlich Art, Menge, Zustand, Tiefenlage und sonstiger Fundumstände können allgemeingültige Aussagen zum Gefährdungspotenzial nicht getroffen werden. Die Tatsache, dass in den Stellungen verbliebene Munition in der Regel bezündert war und die Ursachen für die zu Blindgängern geführten Fehlfunktionen nicht bekannt sind bzw. am gefundenen Kampfmittel nicht festgestellt werden können, verursacht für derartige Kampfmittelbelastungen zunächst ein grundsätzlich hohes Gefährdungspotenzial. Eine abschließende Bewertung ist nur durch eine standortspezifische Gefährdungsabschätzung möglich.
Kampfmittelbelastungen aus Bodenkämpfen können regional bedeutend sein. Gebiete mit schweren Kampfhandlungen sind bekannt. Allerdings ist davon auszugehen, dass eine große Zahl der mehr kleinräumig, lokal ausgebildeten Kampfgebiete und die damit verbundenen Kampfmittelbelastungen heute nicht mehr bekannt sind. Dies schmälert allerdings nicht die Relevanz der Kampfmittelbelastung aus Bodenkämpfen.
Das Kampfmittelinventar und die teilweise großräumigen Kampfgebiete sowie die vielen lokal ausgebildeten, aber nicht mehr hinreichend bekannten Flächen können eine Gefährdung für die Schutzgüter darstellen.