BWM BMWSB und BMVg Arbeitshilfen Kampfmittelräumung
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A-2.1.3 Informationsquellen

1 Einleitung

Im Rahmen der Historisch-genetischen Rekonstruktion der Kampfmittelbelastung sind Informationen zu beschaffen und auszuwerten. Die zielgerichtete und wirtschaftliche Informationsbeschaffung beruht auf einer einzelfallbezogenen Recherchestrategie.

Die methodische Vorgehensweise und die verschiedenen Quellen und Quellenarten werden in den folgenden Abschnitten erläutert.

 

2 Archive und andere Informationsquellen

Die Informationen können aus unterschiedlichen Quellen stammen:

  • Archive auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene in Deutschland
  • Archive auf Staats- und Landesebene im Ausland
  • Archive sonstiger öffentlicher und privater Einrichtungen (z. B. Museumsarchive, kirchliche Archive, Wirtschaftsarchive, Archive von Forschungseinrichtungen) im In- und Ausland
  • zuständige Behörden
  • Bibliotheken
  • Internet
  • Zeitzeugen, Historiker und von anderen Wissensträgern
  • Geländebegehungen

 

3 Archivalien und Akten

Die Beschaffung und Auswertung historischer Unterlagen, sog. Archivalien oder Quellen, sind wesentliche Arbeitsschritte bei der Historisch-genetischen Rekonstruktion der Kampfmittelbelastung.


Archivalien und Akten

Unter Archivalien im Sinne dieser Arbeitshilfen werden nicht mehr in der Bearbeitung befindliche, abgeschlossene und damit archivreife Unterlagen (Berichte, Schriftstücke, Briefe, Karten und Pläne etc.) von Behörden sowie Amtsbücher, Urkunden und Verträge, Karten, Pläne, Bilder und Filme sowie Nachlässe von bekannten Persönlichkeiten oder Firmen verstanden. Sie werden in Archiven aufbewahrt.

Im Gegensatz dazu werden in Registraturen von Behörden oder in speziellen Zwischenarchiven Akten verwahrt, die von der jeweiligen Behörde im Rahmen ihrer Dienstaufgabe noch genutzt werden.

Formell gehören Luftbilder zu den Archivalien. Wegen der besonderen Bedeutung werden die Luftbilder in einem eigenen Abschnitt behandelt.

Weitere Informationen können aus sog. Sekundärquellen (veröffentlichte und unveröffentlichte Literatur, Gutachten, Internetinformationen etc.), aus mündlichen Aussagen von Zeitzeugen oder Historikern und visuellen Befunden aus Geländebegehungen stammen.


Gruppen von Archivalien und Akten

Archivalien und Akten können in Form von Schriftstücken verschiedenen Inhalts sowie als Luftbilder, Karten, Pläne, Fotos und auch Filmaufnahmen vorliegen. Sie werden inhaltlich drei Gruppen zugeordnet:

 

Tab. A-2.1-2: Gruppen von Archivalien und Akten

Gruppe

Beschreibung

Beispiele

Gruppe 1:

Archivalien allgemeinen Inhalts

Allgemeine Archivalien für bestimmte historische Nutzungen und Handlungsabläufe, die i. d. R. keine konkreten liegenschaftsbezogenen Informationen enthalten. Sie sind aber für das generelle Verständnis von kampfmittelbelastungs- verursachenden Vorgängen unentbehrlich.

  • Dienstvorschriften
  • Kriegstagebücher
  • Befehle

Gruppe 2:

Archivalien mit liegen- schaftsbezogenen Inhalten

Mit ihnen können Handlungsabläufe, Vorgänge, Unfälle und Havarien, aber auch Kampfhandlungen und Demontagen etc. rekonstruiert und die potenzielle Kampfmittelbelastung qualitativ und quantitativ bestimmt werden.

  • Alliierte Angriffsunterlagen zu Bombardierungen
  • Unterlagen zu Bodenkämpfen
  • Dokumente zum Regelbetrieb von Standorten
  • Berichte zu Demontagen und Kampfmittelräumungen

Gruppe 3:

Archivalien, die eine Analogbearbeitung ermöglichen

Archivalien, die Informationen zu vergleichbaren Standorten liefern und zwecks Analogieschlüssen mit auszuwerten sind. Dieser Archivalientyp kann für die Klärung des konkreten, liegenschaftsbezogenen Kampfmittelverdachtes unverzichtbare Angaben enthalten.

  • Archivalien über die Demontage bestimmter Standorte bzw. Nutzungstypen
  • Unterlagen zur Struktur und zum Betrieb typ- und nutzungsgleicher Standorte


Die folgende Tabelle (Tab. A-2.1-3) gibt einen Überblick über wichtige Archive für Archivalien der drei Hauptgruppen der Verursachungsszenarien:

Tab. A-2.1-3: Überblick über wichtige Archive für Archivalien der drei Hauptgruppen

Quellen

Archivalien und Akten für den Zeitraum

bis Mai 1945

(Nutzung bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs und Kriegsereignisse)

ab Mai 1945 bis 1949

(Nutzung während der Besatzungszeit)

ab 1949

(BRD, DDR, D)

Milit. u/o zivile Nutzung (Regel- betrieb)

Luftangrif- fe

Boden- kämpfe

Munitions- vernichtung

Milit. u/o zivile Nutzung (Regel- betrieb)

Milit. u/o zivile Nutzung (Regel- betrieb)

Bund

Bundesarchive

+

o

+

+

+

+

BImA (Vorm. Bundesvermögen)

-

-

-

o

o

+

Bauverwaltung

-

-

-

-

-

o

Militär. Dienststellen

-

-

-

-

-

+

Internet / Bibliotheken

+

+

+

+

+

+

Sonst. Quellen

+

o

o

o

o

+

Land

Landesarchive

o

o

o

+

+

+

Kampfmittelbeseiti- gung

-

o

o

o

-

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Kreis etc.

Lokale Archive

+

+

+

+

+

o

UK

The National Archive

+

+

+

+

o

o

Imperial War Museum

+

o

o

-

-

-

USA

National Archives

+

+

+

+

+

+

Militärische Archive

+

+

+

o

o

o

Frankreich, Russland etc.

+

=

+

+

=

=

Erläuterungen:

+

Quelle, die zum Thema regelmäßig relevante Informationen besitzt

o

Quelle, die zum Thema häufig relevante Informationen besitzen kann

-

Quelle, die zum Thema ausnahmsweise Informationen besitzen kann

=

Quelle, die zum Thema Unterlagen (evtl.) besitzt, die aber derzeit nicht oder nur in Teilen freigegeben sind

Zu berücksichtigen ist, dass deutsche Unterlagen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs (und ältere Dokumente) infolge unterschiedlicher Kriegseinwirkungen selten vollständig vorhanden sind. Bombardierungen, gezielte Vernichtungen sowie die Übernahme durch die Siegermächte sind die Gründe für die nur fragmentarisch überlieferten Bestände (umfangreiche Sammlungen deutscher Originaldokumente befinden sich heute noch in ausländischen Archiven).

Die Tabelle A-2.1-3 verdeutlicht, dass die Archivalien zu einem Thema bzw. einem Verursachungsszenarium in vielen verschiedenen Archiven vorhanden sein können. Die Erfahrung zeigt zudem, dass nicht alle Verursachungsszenarien gleich gut mit Archivalien belegt sind:

  • Die Luftangriffe der Alliierten sind sowohl von der Art als auch der Menge der Abwurfmunition generell sehr gut zu rekonstruieren.
  • Bodenkämpfe lassen sich häufig zeitlich und räumlich bestimmen, die eingesetzten Munitionsarten, -sorten und -mengen sowie die genauen Belastungsbereiche sind i. d. R. nicht dokumentiert und können nur über die eingesetzten Waffensysteme und die Beschreibung der Bodenkämpfe abgeschätzt werden.
  • Havarien und Unfälle weisen einen sehr unterschiedlichen Dokumentationsgrad auf. Neben umfangreichen Darstellungen mit exakten Angaben finden sich aber auch nur kurze Hinweise ohne konkrete Angaben.
  • Die Demontage und Munitionsentsorgung zum und nach Ende des Zweiten Weltkriegs sind ebenfalls sehr unterschiedlich dokumentiert. Während systematische Munitionsvernichtungen durch Sprengungen häufig gut belegt sind, finden sich über unsystematische Munitionsentsorgungen (z. B. in aufgegebenen Stellungen) nur selten Archivalien.
  • Der militärische Regelbetrieb kann generell gut rekonstruiert werden. Allerdings fehlen häufig genaue Angaben zur Art und Menge der bei Übungen eingesetzten Munition.

Die folgende Tabelle A-2.1-4 führt die wesentlichen Archive auf, die Archivalien zu sekundären Kampfmittelbelastungen, Kampfmittelräumungen und Baumaßnahmen nach Ende des Zweiten Weltkriegs besitzen können. Ergänzend sind die Quellen genannt, die Luftbilder archivieren.

 

Tab. A-2.1-4: Wesentliche Archive der Archivalien zu sekundären Kampfmittelbelastungen, Kampfmittelräumungen und Baumaßnahmen nach Ende des Zweiten Weltkriegs

Quellen

Archivalien und Akten für den Zeitraum ab 1945

Luftbildsammlungen

Sekundäre Kampfmittel- belastung

Kampfmittelräumun- gen

Baumaß- nahmen

bis 1946

ab 1946

Bund

Bundesarchive

+

+

+

o

+

BImA (Vorm. Bundesvermögen)

o

o

o

-

-

Bauverwaltung

-

o

+

-

-

Militär. Dienststellen

-

o

o

-

+

Internet / Bibliotheken

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-

o

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-

Sonst. Quellen

o

-

o

+

o

Land

Landesarchive

+

+

+

+

o

Kampfmittelbeseiti- gung

-

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-

+

-

Kreis etc.

Lokale Archive

+

o

+

o

o

UK

The National Archive

-

o

o

+

=

Imperial War Museum

-

-

-

o

-

USA

National Archives

-

-

+

+

=

Militärische Archive

-

o

+

+

=

Frankreich, Russland etc.

-

-

o

=

=

Erläuterungen:

+

Quelle, die zum Thema regelmäßig relevante Informationen besitzt

o

Quelle, die zum Thema häufig relevante Informationen besitzen kann

-

Quelle, die zum Thema ausnahmsweise Informationen besitzen kann

=

Quelle, die zum Thema Unterlagen (evtl.) besitzt , die aber derzeit nicht oder nur in Teilen freigegeben sind


Auswahl und Archive

Für eine wirtschaftliche und fachlich erfolgreiche Recherche sind die Archive und deren Bestände zu ermitteln, die für die jeweilige Frage aussagekräftige Informationen liefern können (Recherchestrategie).


Provenienz- und Pertinenzprinzip

Archive ordnen ihr Archivgut in Bestände, die entweder nach dem Provenienzprinzip oder dem Pertinenzprinzip geordnet sind.

Provenienzprinzip bedeutet die Gliederung nach der Herkunft des Archivgutes. Damit bleiben alle Unterlagen einer abgebenden Institution in einem Bestand und in der vorgefundenen Ordnung zusammen.

Das Pertinenzprinzip dagegen gliedert einen Archivbestand ohne Rücksicht auf Entstehungszusammenhänge nach Sach-, Orts- oder Personenbetreffen.

In Deutschland und in den relevanten ausländischen Archiven ist das Provenienzprinzip das vorherrschende Prinzip der Bestandsordnung.

Das Provenienzprinzip bietet den Vorteil, dass in Archiven gezielt nach Beständen von z. B. Behörden oder militärischen Einheiten geforscht werden kann, die an den aufzuklärenden Ereignissen beteiligt waren.


Recherchestrategie

Da das Provenienzprinzip das vorherrschende Ordnungssystem der Archive ist, sind vor einer Recherche die für eine bestimmte Fragestellung relevanten Organisationen, deren Strukturen und mögliche Beteiligte zu ermitteln. Für die Rekonstruktion von komplexen, über einen längeren Zeitraum reichenden Vorgängen, können deshalb umfangreiche Vorstudien notwendig sein. Erst auf Basis dieser Vorarbeiten können die Archive abgeleitet werden, die die entsprechenden Archivalien besitzen (können).

Ohne die Berücksichtigung des Provenienzprinzips ist eine erfolgversprechende Archivrecherche nicht möglich. Lediglich unsystematische Zufallsfunde wären zu erwarten.

Für jedes (liegenschaftsbezogene) Projekt ist auf Basis der genannten Vorarbeiten eine Strategie zur Informationsbeschaffung und Archivrecherche zu erarbeiten: relevante Archive und deren Bestände sind zu identifizieren, die Bearbeitungspriorität ist zu entwickeln und alternative Datenquellen sind zu benennen. Die Recherchestrategie ist detailliert zu dokumentieren.

Für erfolgreiche Recherchen sind detaillierte Kenntnisse über die möglichen Quellen und langjährige Erfahrung in den relevanten Archiven und deren Beständen erforderlich.


Archivaliendatenbank des Bundes

Das NLBL nutzt eine selbstentwickelte Archivaliendatenbank, um

  • Doppelbearbeitungen durch wiederholte Recherchen in gleichen Beständen oder Akten zu vermeiden,
  • Synergien aus verschiedenen Recherchen und Liegenschaftsbearbeitungen zu erzielen,
  • die Inhalte der bearbeiteten Archivalien zu dokumentieren und für die Liegenschaftsbearbeitung des Bundes allgemein zur Verfügung zu stellen.

Sämtliche recherchierte Archivalien werden hierin aufgenommen und stehen damit für die Bearbeitung anderer Standorte zur Verfügung. Nähere Hinweise zur Archivaliendatenbank, deren Nutzungsmöglichkeiten und –bedingungen finden sich im Anhang A-2.2. Im Anhang A-2.2.1 findet sich eine aktuelle Statistik über die durchgeführten und archivierten Recherchen.

 

4 Luftbilder

Bedeutung von Luftbildern

Die Luftbildauswertung ist ein zentraler Aspekt der historisch-genetischen Rekonstruktion der Kampfmittelbelastung. Ohne eine Luftbildauswertung kann die Kampfmittelbelastung eines bestimmten Gebietes nicht oder nur ausnahmsweise beurteilt werden.

Luftbilder sind objektive „Zeitzeugen“ einer Region zum Zeitpunkt der Aufnahme. Ihre realitätstreue Darstellung lässt Rückschlüsse auf die Nutzung einer Liegenschaft zu. So können z. B. Munitionslager und -anwendungsbereiche wie z. B. Flakstellungen, Schießbahnen, Spreng- und Brandplätze, aber auch Kampfgebiete erkannt werden.

Besondere Bedeutung haben Luftbilder bei der Auswertung alliierter Bombardierungen. Gebäudeschäden und Bombentrichter zeigen getroffene Bereiche an. Unter bestimmten Bedingungen können Blindgängerverdachtspunkte luftbildsichtig erkannt werden.


Arten von Luftbildern

Luftbilder werden in Schräg- und Senkrechtaufnahmen unterschieden. Für die wissenschaftlich-analytische Auswertung werden grundsätzlich stereoskopische Paare von Senkrechtaufnahmen genutzt, die die dreidimensionale, d. h. räumliche Betrachtung eines bestimmten Gebietes ermöglichen. Luftbilder können drei Entstehungszeiträumen zugeordnet werden:

  • Flächendeckende Luftbilder wurden erstmals in den Jahren 1934-1941 („Reichsluftbildkarte“) aufgenommen. Als Folge des Zweiten Weltkriegs ist dieser Bestand nicht mehr vollständig erhalten. Ältere Luftbilder liegen nur in Ausnahmefällen und zumeist als Schrägluftbilder vor.
  • Durch die strategisch-taktische Kriegsaufklärung und die alliierten Bombardierungen wurde eine große Zahl von Luftbildern (Schätzungen belaufen sich auf bis zu ca. 3 Millionen Stück) aufgenommen. Sie umfassen die Zeit von ca. 1940 bis 1945 und sind primär in britischen und US-amerikanischen Archiven verfügbar. Teile dieser Bestände sind mittlerweile auch in Deutschland bei den zuständigen Landesbehörden (z. B. Landesvermessungsämter oder den Kampfmittelbeseitigungsdiensten) vorhanden.
  • Luftbilder der Nachkriegszeit wurden zunächst durch die Besatzungsmächte, später dann durch verschiedene deutsche militärische und zivile Einrichtungen angefertigt.


Luftbildarchive

Für Deutschland existieren umfangreiche Luftbildbestände in verschiedenen Archiven und Dienststellen im In- und Ausland. Die folgende Tabelle (Tab. A-2.1-5) gibt einen Überblick über die relevanten Luftbildarchive und die von deren Sammlungen abgedeckten Zeiträume (vgl. auch Tabelle A-2.1-3).

 

Tab. A-2.1-5: Luftbildarchive

Zeitschnitte

Quellen verfügbarer Luftbilder

Vor 1934

1934 –1940

1941 – 1945

1946 – 1955

West

1946 – 1955

Ost

1956 – 1991

West

1956 – 1991

Ost

Seit 1991

Bundesarchiv Koblenz u. Berlin

+

+

+

o

Staats-, Landes(haupt)archive

+

+

o

o

Landesvermessungsämter

+

+

+

+

+

o

+

Kampfmittelbeseitigungsdienste

+

o

o

Private Luftbildarchive

+

+

+

NARA, Washington/USA

+

=

=

The Aerial Reconnaissance Archive at RCAHMS, Edinburgh/GB

+

+

+


Luftbildbeschaffung durch das NLBL

Luftbilder für einen Standort müssen zumeist aus verschiedenen Archiven beschafft werden. Um die Beschaffungskosten zu reduzieren und Synergien zu nutzen, beschafft das NLBL die Luftbilder zentral und stellt sie zur Verfügung. Das Verfahren hierzu ist in der Handlungsanweisung zur Bearbeitung von Rüstungsaltstandorten und -ablagerungen sowie zur Durchführung von Kampfmittelräumungen (kurz: Handlungsanweisung RüAlt/KMR) beschrieben (s. Anhang A-2.4). Das NLBL bewahrt derzeit ca. 55.000 Luftbilder auf und hat direkten Zugriff auf weitere ca. 2 Mio. Luftbilder.


Einschränkungen der Luftbildauswertung

In vielen Fällen können nicht alle relevanten Zeiträume durch Luftbilder abgedeckt werden. Fehlende Luftbilder schränken die Aussagesicherheit einer Historisch-genetischen Rekonstruktion i. d. R. stark ein.

Der Zeitraum zwischen einem Ereignis (z. B. Bombardierung) und der Aufnahme des Luftbildes sollte möglichst kurz sein. Andernfalls können Merkmale des Ereignisses, die luftbildsichtig wären, beseitigt bzw. überprägt worden sein. Dies kann die Auswertung und deren Aussagekraft stark einschränken.

Deshalb ist es notwendig, zunächst alle Luftbilder zu sichten und die für eine Auswertung relevanten und geeigneten Bilder auszuwählen.

Können die erforderlichen Luftbilder nicht aus deutschen Quellen beschafft werden, werden Recherchen bzw. Beschaffungen in ausländischen Archiven notwendig.

Einschränkungen der Bodensicht - vor allem in stark bewaldeten Gebieten oder durch Schattenwurf - können im Einzelfall durch die zusätzliche Auswertung eines aus luftgestützten Laserscan-Daten gewonnenen Geländemodells ausgeglichen werden (s. hierzu A-2.3.5). Ein Nachteil ist hierbei allerdings der lange Zeitraum zwischen Ereignis und Aufnahme (häufig über 70 Jahre).


Anforderungen an den Luftbildauswerter

Obwohl Luftbilder ein Gebiet oder Gelände zu einem bestimmten Zeitpunkt objektiv darstellen, sind die luftbildsichtigen Objekte durch den Auswerter zu interpretieren. Um Fehlansprachen und -deutungen zu minimieren, sind an den Auswerter besondere Anforderungen v.a. hinsichtlich der Erfahrung zu stellen. Zusätzlich sind analoge und digitale Auswertestationen einschließlich der notwendigen Software erforderlich (s. auch Anhänge A-9.2.3 bis A-9.2.6).

 

5 Sekundärquellen

Arten von Sekundärquellen

Weitere Informationen liefern publizierte Fachliteratur, unveröffentlichte wissenschaftliche Arbeiten, Fachzeitschriften, Fachgutachten sowie das Internet. Alle publizierten Texte lassen sich in einschlägigen wissenschaftlichen und lokalen Bibliotheken bzw. über geeignete Internet-suchmaschinen recherchieren.

Die Aussagen von Sekundärquellen sind auf deren Seriosität und fachliche Qualität zu prüfen. Gute Hinweise darauf liefern u. a. die Quellen- und Literaturangaben.


Gutachten

Gutachten und Berichte können bei Behörden vorhanden sein. Die zuständigen Behörden sind zu bestimmen. Die Zuständigkeit kann aus unterschiedlichen Gründen gegeben sein, so dass eine fundierte Analyse möglicher Behörden notwendig ist. Gutachten und Berichte werden i. d. R. im Rahmen der Amtshilfe bereitgestellt.


Internet

In den letzten Jahren hat sich das Internet als wichtige Datenquelle etabliert. Die Informationsfülle des Internets erfordert eine fundierte Suchstrategie und die Prüfung der Quellen hinsichtlich ihres Inhalts und ihrer Zuverlässigkeit.

Die Dynamik des Internets bedingt eine relative Kurzlebigkeit der Inhalte. Um die Rechercheergebnisse später nachvollziehen zu können, ist eine genaue Dokumentation des Rechercheweges, der verwendeten Internet-Adressen und Links sowie der Rechercheergebnisse notwendig.

Internet-Recherchen erfordern eine große Erfahrung, um wirtschaftlich Ergebnisse erzielen zu können. Es ist deshalb in vielen Fällen empfehlenswert, umfangreiche Internet-Recherchen spezialisierten Fachleuten zu übertragen.

 

6 Zeitzeugen

Unter dem Begriff Zeitzeugen sollen hier diejenigen Personen zusammengefasst werden, die aus eigener Erfahrung bzw. aus eigenen Erlebnissen Informationen z. B. zu Luftangriffen, Kriegshandlungen, Nutzungen, Produktions- und Handlungsabläufen oder Demilitarisierungsvorgängen liefern können. Es handelt sich in der Regel um Personen, die

  • Tätigkeiten in der Kriegswirtschaft ausgeführt haben oder organisatorisch oder indirekt mit ihr verbunden waren (z. B. ehem. Arbeiter und Angestellte, Zwangsarbeiter, Angehörige der lokalen und regionalen Verwaltungsbehörden und des Militärs),
  • in militärischen Einrichtungen als Zivilpersonen oder als Angehörige des Militärs tätig waren,
  • als Soldaten bei militärischen Operationen eingesetzt wurden,
  • als Anwohner in der Nähe von Liegenschaften oder Kampfgebieten bzw. bombardierten Flächen lebten,
  • als Angehörige der Besatzungsmächte und als ehem. Personal der nach Kriegsende eingesetzten lokalen und regionalen Verwaltungen sowie insbesondere der Kampfmittelbeseitigungsstellen in den Besatzungszonen und den später gegründeten Bundesländern tätig waren.


Zeitzeugen können beispielsweise

  • Kriegsereignisse beschreiben,
  • Örtlichkeiten identifizieren,
  • inoffizielle oder illegale Handlungen benennen,
  • technische Einzelheiten z. B. zu Fertigungstechniken, Demilitarisierungstechniken, Vorschriften oder Havarien liefern,
  • Archivalien, Fotos, Karten und Publikationen besitzen sowie Hinweise auf weitere Zeitzeugen geben.


Zunächst sind geeignete Zeitzeugen zu finden. Lokale Archive, Ortschronisten, die örtliche Presse oder Verbände bieten gute Ansatzmöglichkeiten. Eine sinnvolle Befragung kann dann nur durch einen persönlichen Besuch i. d. R. vor Ort erfolgen. Die Befragung selbst ist sorgfältig vorzubereiten. Psychologische Gesichtspunkte sind zu berücksichtigen. Bei einer Bewertung der Zeitzeugenaussagen sind dann u. a. folgende Aspekte zu berücksichtigen:

  • bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges bestanden hohe Sicherheits- und Geheimvorkehrungen, damit war der Personenkreis von Wissensträgern für kriegsrelevante Angelegenheiten stets klein,
  • Zeitzeugen, die an Kampfhandlungen teilgenommen haben bzw. erleiden mussten, waren hohem Stress ausgesetzt. Psychologische Gesichtspunkte (Abwehr, Verdrängung) beeinflussen das Auskunftsverhalten und die Informationsinhalte,
  • Zeitzeugen aus dieser Zeit haben mittlerweile ein hohes Alter erreicht, das Erinnerungsvermögen kann dadurch nachgelassen haben,
  • durch den langen Zeitraum können die historischen Gegebenheiten über- oder untertrieben oder tatsachenfern dargestellt werden.


Zeitzeugenaussagen sind stets mittels anderer Informationsquellen (z. B. mit Luftbildern, durch Aussagen weiterer Zeitzeugen sowie durch den Abgleich mit dem Gelände) zu überprüfen.

 

7 Geländebegehung

Die aus der Auswertung der Archivalien und anderer Quellen sowie der Zeitzeugenbefragung resultierenden Ergebnisse sind zunächst als theoretisch zu betrachten. Um sicher zu gehen, dass die recherchierten Daten mit den realen Verhältnissen übereinstimmen, ist eine Überprüfung vor Ort notwendig. Erst mit dieser Geländebegehung kann die historisch-genetische Rekonstruktion als abgeschlossen gelten.

In Abhängigkeit des zu untersuchenden Standortes und der konkreten Aufgabe können zu unterschiedlichen Zeitpunkten Geländebegehungen sinnvoll sein:

  • eine initiale Geländebegehung vor den eigentlichen Recherchen, um sich einen allgemeinen Eindruck von der Liegenschaft zu verschaffen, erste Kontakte zu örtlichen Wissensträgern aufzubauen und bereits vorhandenes Wissen zu erhalten,
  • im Bedarfsfall können während der Ausarbeitung der historisch-genetischen Rekonstruktion weitere Geländebegehungen notwendig werden, um beispielsweise Teilergebnisse abzugleichen und die weiteren Recherchen und Auswertungen zielgerichteter zu gestalten,
  • zum Abschluss der historisch-genetischen Rekonstruktion der Kampfmittelbelastung ist eine Geländebegehung des gesamten Standortes vorzusehen, um die bis dahin vorliegenden Ergebnisse zu überprüfen. Die Befunde der Geländebegehung sind in die Rekonstruktion einzuarbeiten, die erst danach abgeschlossen ist.

In aller Regel werden Geländebegehungen auf Flächen durchgeführt, die einen Kampfmittel- und damit Gefahrenverdacht aufweisen. Insofern sind die einschlägigen Sicherheitsvorschriften einzuhalten. Eine Geländebegehung kann die Teilnahme einer Verantwortlichen Person gem. § 19 SprengG erforderlich machen.

Geländebefunde sind eindeutig und nachvollziehbar zu beschreiben und lagemäßig im Koordinatenbezugssystem UTM / ETRS89 zu erfassen. Hierzu bieten sich Liegenschaftspläne und Luftbildpläne aus historischen und aktuellen Luftbildern an.

Weitere Hinweise zur Geländebegehung finden sich in Anhang A-9.1.9.


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