2 Definitionen
Die aufgeführten Definitionen entstammen der allgemeinen Kampfmittelräumpraxis und greifen u. a. Definitionen aus dem Kampfmittelrecht der Länder auf. Für den Bereich der Bundeswehr gelten zum Teil abweichende Definitionen. Sie sind ausführlich im Anhang 1.2.1 dargestellt.
Allgemein anerkannte Regeln der Technik (a. a. R. d. T.)
→ Regeln der Technik
Befähigungsscheininhaber
Inhaber eines Befähigungsscheins nach § 20 Sprengstoffgesetz (SprengG) zum Umgang mit Kampfmitteln.
Bereitstellungslager
Teil der → Kampfmittelbeseitigung.
Bergen
Teil der → Kampfmittelbeseitigung.
Beste verfügbare Technik (engl.: Best available technique - BAT)
→ Regeln der Technik
Bewertung
Jeder Planungs- und Untersuchungsschritt muss mit einer Bewertung abschließen, die den Sachverhalt und die sich daraus ergebenden Konsequenzen würdigt.
Blindgänger
→ Kampfmittel, die scharf, zündfertig, entsichert oder auf andere Weise zum Einsatz bereitgemacht und die verschossen, abgeworfen, katapultiert, geworfen oder verlegt wurden und die aufgrund eines Versagens oder gewollt oder aus sonstigen Gründen nicht zur Wirkung gelangten.
Brandstoffe
Feste chemische Verbindungen, Flüssigkeiten oder Gemische, die nach dem Zünden (Selbstzündung oder Fremdzündung) hohe Verbrennungstemperaturen entwickeln, lange brennen, an Oberflächen gut haften und sich nur schwer löschen lassen.
Chemische Kampfstoffe
Als chemische Kampfstoffe werden nach militärischer Definition chemische Substanzen bezeichnet, die in gasförmigem, flüssigem oder festem Zustand wegen ihrer toxischen Wirkung gegen Menschen, Tiere oder Pflanzen für Kriegszwecke oder militärischen Einsatz verwendet werden können und die Kampfkraft des Gegners durch vorübergehende, dauerhaft wirkende oder tödliche Vergiftung schwächen sollen. Chemische Kampfstoffe sind verwandt mit Substanzen, die in der chemischen Industrie gebräuchlich sind. Diese Stoffe wurden erst aufgrund der militärischen Zweckbestimmung zu chemischen Kampfstoffen (z. B. Phosgen und Blausäure).
Detonation
Eine Detonation ist eine besonders starke → Explosion.
Entschärfen
Teil der → Kampfmittelbeseitigung.
Erkundung
Ermittlung einer möglichen Belastung durch → Kampfmittel. Die zugehörige Fläche, die erkundet wird, heißt Erkundungsgebiet und wird als solche im Rahmen der digitalen Bestandsdokumentation KMR erfasst und phasenbezogen bewertet. Der Begriff Untersuchungsgebiet ist zum Begriff Erkundungsgebiet analog anwendbar (s. BFR BoGwS).
In der Historischen Erkundung ist das Erkundungsgebiet der Luftbildauswertung regelmäßig um eine Pufferfläche zu erweitern (Details hierzu im Anhang 2.3).
Explosion
Die Explosion ist eine Reaktionsform von Stoffen, die mit einer extrem schnellen Zustandsänderung der Parameter Druck, Temperatur und Volumen in den dabei entstehenden oder vorhandenen Gasen einhergeht.
Explosivstoff
Explosivstoffe sind die in der Anlage III des SprengG (BGBl. I S. 577 und S. 1530) aufgeführten Stoffe und Gegenstände, die nach der Richtlinie 93/15/EWG des Rates vom 5. April 1993 zur Harmonisierung der Bestimmungen über das Inverkehrbringen und die Kontrolle von Explosivstoffen für zivile Zwecke (Abl. EG Nr. L 121 S. 20; in der jeweils geltenden Fassung) als solche betrachtet werden oder diesen in Zusammensetzung und Wirkung ähnlich sind.
Fachkundiger Munition
→ Befähigungsscheininhaber mit Fachkundenachweis durch einen staatlichen oder staatlich anerkannten Grundlehrgang für den Umgang mit → Fundmunition zur Kampfmittelbeseitigung.
Fundmunition
→ Munition oder sprengkräftige Kriegswaffen, die nicht ununterbrochen verwahrt, überwacht oder verwaltet wurden.
Freilegen
Teil der → Kampfmittelbeseitigung.
Gefahr
Eine Gefahr bezeichnet eine Lage, in der bei ungehindertem Ablauf des Geschehens ein Zustand oder ein Verhalten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit (insbesondere Leben und Gesundheit, Freiheit, Vermögen der Einzelnen) oder öffentlichen Ordnung führen würde. Der Schaden braucht also nicht mit Gewissheit zu erwarten sein.
Gefährdungsabschätzung
Die Gefährdungsabschätzung ist die abschließende Bewertung des Gefährdungspotentials. Sie erstreckt sich einzelfallbezogen auf die in Betracht kommende Explosions- und Detonationswirkung auf die möglicherweise betroffenen Schutzgüter. Die Gefährdungsabschätzung hat zum Ziel, eine kampfmittelverdächtige Fläche oder eine einzelne Fundstelle entweder aus dem Verdacht zu entlassen oder als kampfmittelbelastete Fläche oder Einzelfundpunkt festzustellen, zu charakterisieren sowie die Entscheidung über die zu ergreifende Maßnahme vorzubereiten.
Handhabungsfähig
→ transportfähig
Identifizieren
Teil der → Kampfmittelbeseitigung.
Kampfmittel
Kampfmittel im Sinne dieser Baufachlichen Richtlinien sind gewahrsamslos gewordene, zur Kriegsführung bestimmte Gegenstände und Stoffe militärischer Herkunft und Teile solcher Gegenstände, die
Explosivstoffe oder Rückstände dieser Stoffe enthalten oder aus Explosivstoffen oder deren Rückständen bestehen,
Chemische Kampf-, → Nebel-, → Brand- oder Reizstoffe oder Rückstände dieser Stoffe enthalten,
Kriegswaffen oder wesentliche Teile von Kriegswaffen sind.
Kampfmittelbeseitigung
Das Ablaufschema zeigt die Schritte für den Regelfall der Kampfmittelbeseitigung, wenn ein Gefahrenverdacht vorliegt und sich bestätigt.
Abb. 1: Ablaufschema der Kampfmittelbeseitigung
Die Kampfmittelbeseitigung beginnt mit der Historischen → Erkundung, die mit einer → Bewertung abschließt. Anschließend folgt in der Regel die Technische Erkundung, die mit der → Gefährdungsabschätzung als abschließende Bewertung endet. Bestätigt sich der Verdacht der → Gefahr, wird die Räumung geplant und auf Grundlage eines Räumkonzeptes eingeleitet und mit der Auführungsplanung zum Abschluss gebracht.
Zuerst wird die Räumfähigkeit (z. B. Anlegen einer Baustraße) hergestellt. Zum Sondieren und Orten der → Kampfmittel werden Geräte, die dem Stand der Technik entsprechen, eingesetzt. Freigelegte Kampfmittel werden durch einen → Befähigungsscheininhaber identifiziert. Im Regelfall wird das Objekt geborgen und vor der Vernichtung in ein Bereitstellungslager innerhalb der → Räumstelle transportiert.
Die Vernichtung erfolgt i. d. R. durch den zuständigen Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes in geeigneter Weise außerhalb der Räumstelle. Ist ein Befördern/Verbringen ausgeschlossen, wird das Kampfmittel an Ort und Stelle vernichtet. Mit diesen Arbeiten können nach Abstimmung mit dem Kampfmittelbeseitigungsdienst auch gewerbliche Kampfmittelräumfirmen beauftragt werden.
Kampfmittelfreiheit
Kampfmittelfreiheit beschreibt die Situation kampfmittelbelasteter Grundstücke nach erfolgten Räum- und Beseitigungsarbeiten. Sie wird nach Abschluss der Arbeiten (oder erfolgter Absuche) unter Hinweis auf das Räumziel und die eingesetzte Technik erklärt. Dazu sind folgende Nachweise zu erbringen:
→ Abschlussprotokoll,
→ Angaben zu den Suchmethoden,
→ Auflistung der geborgenen Kampfmittel,
→ reproduzierbarer Lageplan, auf dem die Fläche des Grundstücks und die geräumten Flächen nachvollziehbar mit Angabe der Koordinaten eingezeichnet sind. Weitere Angaben, z. B. die Lage zukünftiger Bauvorhaben, sollten bedarfsweise gekennzeichnet werden,
→ eine topografische Karte (Maßstab 1:10.000 oder größer) bzw. ein Auszug aus dem Stadtplan mit Kennzeichnung der Lage des Bauvorhabens,
→ die Aussage, ob Ergebnisse einer Luftbildauswertung genutzt wurden,
→ die notwendigen sprengstoffrechtlichen Zulassungen der handelnden und eingesetzten Personen (§§ 7 und 20 SprengG).
Munition/Munitionsteile
Gegenstände oder deren Teile für die bestimmungsgemäße militärische Anwendung mit → Explosivstoff, wie Patronen, Kartuschen, Gefechtsköpfen, Handgranaten, Minen, Bomben, Torpedos sowie Raketen einschließlich der Treibsätze und Pyrotechnika. Munition kann auch → Brand-, → Nebel-, Reizstoffe oder → chemische Kampfstoffe enthalten. Diese Munition wird auch als Lagermunition bezeichnet.
Nebelstoffe
Chemische Substanzen, die als Ergebnis physikalischer oder chemischer Prozesse Aerosole bilden, die zur Sichtminderung führen.
Qualitätssicherung
Die Qualitätssicherung dient dazu, dass die an die Tätigkeit gestellten Anforderungen und Erfordernisse sowie die gültigen Gesetze und Normen erfüllt werden. Die Qualitätssicherung obliegt dem Auftragnehmer. Der Auftragnehmer hat die Maßnahmen der Qualitätssicherung so zu dokumentieren, dass sie durch Dritte lückenlos nachvollzogen werden können.
Qualitätskontrolle
Mit der Qualitätskontrolle wird überprüft:
→ Ob das vertraglich vereinbarte Räumziel erreicht worden ist,
→ Art, Umfang und Einhaltung der festgelegten und notwendigen Qualitätssicherungsmaßnahmen.
Die Qualitätskontrolle obliegt dem Auftraggeber.
Räumstelle
Fläche, die mit → Kampfmitteln belastet ist und geräumt wird sowie zusätzliche Flächen, die zur Abwicklung der Räummaßnahme benötigt werden. Im Sinne des §19 Abs. 1 Satz 2 SprengG ist eine Räumstelle eine unselbstständige Zweigstelle des ausführenden Unternehmens.
Regeln der Technik
Im Folgenden werden die Begriffe „Stand der Technik“, „Allgemein anerkannte Regeln der Technik“, „Stand von Wissenschaft und Technik“ sowie „Beste verfügbare Technik“ erläutert.
Stand der Technik
Unter dem Begriff versteht man technische Möglichkeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt, basierend auf gesicherten Erkenntnissen von Wissenschaft und Technik. Der Stand der Technik beinhaltet auch, dass er wirtschaftlich durchführbar ist.
Der Stand der Technik ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung der Maßnahme im Hinblick auf die angestrebten Ziele (z. B. die Ziele des Arbeitsschutzes, des Umweltschutzes, der Sicherheit für Dritte, der Wirtschaftlichkeit: also allgemein zur Erreichung eines allgemein hohen Niveaus bezogen auf die zu beachtenden Aspekte) insgesamt gesichert erscheinen lässt.
Der Stand der Technik geht stets über das in Allgemein anerkannten Regeln der Technik Ausgewiesene hinaus und
→ enthält das Fachleuten verfügbare Fachwissen,
→ ist wissenschaftlich begründet,
→ ist praktisch erprobt,
→ ist ausreichend bewährt.
Allgemein anerkannte Regeln der Technik
Vom Stand der Technik unterscheidet sich der Begriff der Allgemein anerkannten Regeln der Technik. Er stellt tendenziell eine geringere Stufe der technischen Entwicklung dar, die Techniken müssen sich bereits in der Praxis bewährt haben.
Die Allgemein anerkannten Regeln der Technik sind
→ von der Mehrheit der Fachleute anerkannte,
→ wissenschaftlich begründete,
→ praktisch erprobte,
→ ausreichend bewährte
Regeln zum Lösen technischer Aufgaben.
Sie müssen Teile eines allgemeinen, in sich schlüssigen technischen Regelwerkes und in ihrer Wirksamkeit von der Mehrheit der Fachleute des jeweiligen Bereiches als richtig und zweckmäßig anerkannt sein.
Stand von Wissenschaft und Technik
Mit dem Begriff Stand von Wissenschaft und Technik werden technische Spitzenleistungen umschrieben, die wissenschaftlich gesichert sind. Dieser Standard wird von der Rechtsordnung nur gefordert für Arbeiten nach dem Bundesatomgesetz und der Strahlenschutzverordnung, für alle anderen Ingenieurtätigkeiten geht dies über die üblichen Anforderungen hinaus.
Der Stand von Wissenschaft und Technik
→ ist wissenschaftlich begründet,
→ ist technisch durchführbar,
→ kann ohne praktische Bewährung sein,
→ ist öffentlich zugänglich.
Beste verfügbare Technik
Ein anderer Begriff für den Stand von Wissenschaft und Technik ist die Beste verfügbare (auch erhältliche) Technik (Best available technique - BAT). Sie muss nicht erprobt oder wirtschaftlich tragbar sein. Dieser Rechtsbegriff wird vor allem durch das Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union, unter anderem die Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IVU-Richtlinie), in das nationale Recht der Mitgliedsstaaten eingeführt.
Sondieren
Teil der → Kampfmittelbeseitigung.
Sprengung
Zielgerichtete, kontrollierte Durchführung einer → Explosion.
Stand der Technik
→ Regeln der Technik
Stand von Wissenschaft und Technik
→ Regeln der Technik
Transport
Teil der Kampfmittelräumung. Außerhalb der Räumstelle werden die Begriffe “Befördern“ (gem. ADR) oder „Verbringen“ verwendet.
Transportfähig
Kampfmittel sind grundsätzlich als nicht handhabungsfähig zu betrachten. Sie gelten somit als nicht transportfähig, bis ein → Fachkundiger Munition sie für transportfähig erklärt.
Überlassung
Teil der → Kampfmittelbeseitigung.
Verantwortliche Person
Das SprengG unterscheidet zwischen mehreren verantwortlichen Personen. Diese sind gemäß § 19 des SprengG
→ der Erlaubnisscheininhaber/Betriebsinhaber (§ 19 Abs. 1 Nr. 1),
→ die mit der Leitung des Betriebes, einer Zweigniederlassung oder einer unselbständigen Zweigstelle (Räumstelle) beauftragte Person (§ 19 Abs. 1 Nr. 2),
→ das Fachtechnische Aufsichtspersonal (§ 19 Abs. 1 Nr. 3).
Verantwortliche Personen nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 sowie Nr. 3 müssen zur Ausführung ihrer Tätigkeit einen gültigen behördlichen Befähigungsschein gemäß § 20 SprenG zum Umgang mit Kampfmitteln besitzen und nach § 21 SprengG in einem Unternehmen mit Erlaubnis nach § 7 SprengG bestellt sein. Die Bestellung ist der zuständigen Behörde unverzüglich mitzuteilen (§ 21 Nr. 4 SprengG).
Verantwortliche Personen gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 sind der zuständigen Behörde mit der Anzeige nach § 14 SprengG anzugeben.
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